Vieles wurde und wird geschrieben über die “Helden der Lüfte”, die Träger des “Pour le Merite” und anderer hoher Auszeichnungen, unvergessene Piloten und meisterhafte Flieger die in ihrer Zeit ebenso populär waren wie heutzutage Popstars oder Schauspieler. Aber uns sollte auch das Schicksal der vielen Namenlosen und weitgehend unbekannten Angehörigen der Fliegertruppe im Gedächtnis bleiben die mit ebensolchem Mut und mit viel persönlichem Ehrgeiz in den Kindertagen der Fliegerei ihren Weg suchten. Meist waren es sehr junge Männer die sich zu den Feldfliegern meldeten, aber auch junge Offiziere, verschiedener Waffengattungen, auf der Suche nach neuen technischen und soldatischen Herausforderungen. Erinnern möchte ich aber auch an die Männer die am Boden den Ablauf der Fliegerei am Leben hielten. Ob den Handwerker mit Vorkenntnissen oder den vielen Helfern die mit der Fliegerei vor ihrem Wehrdienst nichts am Hut hatten soll hier gedacht werden. Nicht nur die zahlreichen Abstürze während der Ausbildung forderten viele Opfer sondern auch Krankheiten wie z.B. die Spanische Grippe forderten ihre Verluste unter der Fliegertruppe.
Foto Peter Merschroth
Die “vergessenen” Flieger
Auf dem Darmstädter Waldfriedhof finden sich heute noch viele Gräber von Angehörigen der Fliegertruppe
Der heutige Zustand der Grabstätte auf dem Darmstädter Waldfriedhof
Leutnant Georg Brandes
Nur eine kurze Notiz war am 7.6.1918 im Pfungstädter Anzeiger über den Absturz zu lesen.
Georg Heinrich Rudolf Alex Brandes wurde am 20.9.1897 in Offleben im Kreis Helmstedt/Niedersachsen geboren. Im allgemeinen wurde er Jürgen genannt, eine Neben- aber auch Verniedlichungsform von Georg. Seine Familie bewirtschaftete ein großes Klostergut (seit 1741 bis heute) und er besuchte die dortige Volksschule bis zu seinem Eintritt in die preußische Kadettenanstalt von Bensberg.
Foto Peter Merschroth
Flieger Wilhelm Maier
Zu den Bodenmannschaften der FEA 9 gehörte Martin Wilhelm Maier aus Mannheim. Er wurde am 31. Januar 1898 in Mannheim geboren und erlernte bei Daimler Benz, ebenfalls in Mannheim, den Beruf des Eisendrehers. Er wurde am 1.4.1917 zum I. Rekruten Depot des Ersatz Bataillons im Pionier Regiment Nr. 36 eingezogen und diente bis zum 22.9.1917 bei dieser Einheit. Ausgebildet wurde er speziell für den Nahkampf in den Gräben der Westfront. Am 25. September 1917 wurde er, vermutlich aufgrund seiner Berufsausbildung und seiner Tätigkeit bei Daimler Benz, zur FEA 9 nach Griesheim versetzt. Hier war er nacheinander in der 3., der 2. und bis zum Kriegsende in der 1. Kompanie eingesetzt. Nach seinen Aussagen war er häufig bei der Bergung abgestürzter Flieger eingesetzt was er als ein schreckliches Erlebnis empfand. Für Wilhelm Maier war die Versetzung zu den Fliegern aber sicherlich ein Glücksfall, kurz nach seinem Weggang wurde seine ursprüngliche Pionier Einheit an die Isonzo Front verlegt und führte dort einen der folgenreichsten Giftgasangriffe des Krieges durch. Wilhelm Maier verstarb im Alter von 84 Jahren im Jahr 1982.
Wilhelm Maier in der Uniform der Fliegertruppe im Jahr 1918 in Griesheim
Der Leutnant Georg Brandes war einer der zahlreichen Flieger die schon während ihrer Ausbildung zum Flugzeugführer einem Unglücksfall zum Opfer fielen. Am 6. Juni 1918 verunglückte er mit einem weiteren Besatzungsmitglied zwischen Eschollbrücken und Hahn (heute Stadt Pfungstadt).
Georg Brandes überlebte den plötzlichen Absturz nicht, der andere leider bis heute unbekannte Flieger, konnte mit schweren Verletzungen geborgen werden. Leutnant Brandes befand sich am Ende seiner Ausbildung, den ersten Teil der Pilotenprüfung hatte er bereits am 2.2.1918 mit Erfolg abgelegt und er machte zur Zeit des Unfalls die vorgeschriebenen Flüge in großer Höhe und über weite Strecken. Seine ersten Platzrunden hatte er bereits erfolgreich absolviert und die an ihn gestellten Aufgaben wurden immer anspruchsvoller. Es wurden nun Gefahrensituationen, wie etwa der Ausfall des Motors simuliert und Notlandungen angenommen. Er hätte wohl die Ausbildung in nächster Zeit abgeschlossen und wäre zu einer aktiven Einheit versetzt worden.
Über die Unglücksursache kann nur spekuliert werden, es weist aber vieles auf einen technischen Defekt an der Maschine hin.
Danke an Frau Kern, der Enkelin, für die Mithilfe
Vielen Dank für die Hilfe bei der Aufarbeitung an die Familie Brandes
Das Büro der FEA 9 schickte Beileidsschreiben, die Kränzen beigefügt waren, an die Familie nach Offleben.
Leutnant Brandes bei der FEA 9 auf dem “Griesheimer Sand”
Die Kadettenanstalt Schloß Bensberg
Leutnant Brandes im Kreise seiner Kameraden der FEA 9 in Griesheim an Weihnachten 1917
Im Anschluß an seine Kadettenzeit trat er als Fahnenjunker-Unteroffizier in das Füsilier-Regiment “von Gersdorff” (Kurhessisches) Nr. 80 mit Garnison in Wiesbaden und Bad Homburg ein. Er diente in der 3. Kompanie. Das Regiment war zu Beginn des Ersten Weltkriegs an der Westfront eingesetzt und bewährte sich bei vielen großen Schlachten u.a. an der Marne, an der Somme und bei Verdun. Bereits am 15. Januar 1915 wurde Georg Brandes zum Fähnrich befördert und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet.
Luftaufnahme des Stellungssystems im Bereich des IR 80 mit Eintragungen von Brandes
Das Offiziers Korps der Kadettenanstalt im Schloß Bensberg anläßlich der 100 Jahrfeier des Sieges über Napoleon
Mit noch sehr kindlichen Zügen bei seiner ersten Zeit in der Kadettenanstalt
Sichtlich gereift zum Ende der Ausbildung in Bensberg
Eintrag in der Verlustliste vom 3.Juli 1918
Eintrag in der Verlustliste vom 4. November 1916
Schon zwei Monate später, am 1. März 1915, wurde er erneut befördert und nun Leutnant der Reserve. Bei den langwierigen und schwierigen Grabenkämpfen bewährte sich Brandes erneut so das er auch das Eiserne Kreuz I. Klasse empfangen konnte. Bis September 1916 überstand er die Kampfhandlungen nahezu unbeschadet bevor er im Oktober 1916 als Stellvertreter des Kompaniechefs der 4.Kompanie zweimal leicht verwundet wurde.
Telegramm von “Jürgen” Brandes an seine Familie das er auf dem Weg zu seinem neuen Truppenteil nach Darmstadt ist.
Ursprüngliche Grabstätte in Darmstadt.
Trauerschreiben der Kadettenanstalt Bensberg an die Familie
Eine besondere Rolle spielte der Gefreite Wilhelm Clement aus Rückingen bei Hanau. Er war nicht nur ein Untergebener an der Front und bei bei der FEA 9 sondern vielmehr ein guter Freund von Leutnant Brandes. Lange Jahre kümmerte er sich nach dessen Tod um die Grabpflege und legte an den Gedenktagen immer wieder Blumen und Kränze nieder wenn es ihn auch größere Mühen kostete einen Passierschein zu erhalten um in den Französisch besetzten Teil Hessens zu kommen in dem der Darmstädter Waldfriedhof damals lag. Auch ihn zog es gegen Ende des Krieges zu den Fliegern: er wurde in Stolp (Pommern) als Beobachter ausgebildet. In vielen Briefen hielt er engen Kontakt zur Familie Brandes und hielt so die Erinnerung an “Seinen lieben Leutnant” am Leben. Wilhelm Clement verstarb schon im Jahre 1926 infolge Krankheit.
Anzeige der FEA 9 in der “Magdeburgischen Zeitung” vom 15. Juni 1918
Georg Brandes als Kompanieführer in einem Graben an der Westfront während der Schlacht an der Somme im Februar 1917
Vermutlich kam er in dieser Zeit zum ersten mal mit der Fliegerei in Berührung. In seinem Nachlass finden wir zahlreiche Luftbilder die er ausgewertet und kommentiert hatte.
Ab Februar 1917 führte er die 9. Kompanie des 3. Bat. im IR 80 als Kompanieführer. Eine weitere Auszeichnung erhielt er vom Herzogtum Braunschweig in Form des Kriegsverdienstkreuzes. Seine vorerst letzten Einsätze im Westen mit dem Füsilier Regiment 80 hatte er bei den großen Schlachten und Stellungskämpfen in der Champagne. Im Anschluß daran wurde das Regiment in den Osten verlegt wo es als Reserve eine gewisse Ruhezeit genießen konnte um im Anschluß daran auch hier in Grabenkämpfe verwickelt zu werden. Bevor die Einheit zurück an die Westfront beordert wurde meldete er sich freiwillig zur Fliegertruppe und wurde zur Pilotenausbildung nach Griesheim zur Flieger-Erstzabteilung Nr. 9 versetzt.
Der Schlafsaal der Kadettenanstalt
Gedenkstätte in Darmstadt Mitte der 20er Jahre. Die Grabstätten sind in ihrer Aufteilung bis heute erhalten und nur die Grabsteine wurden inzwischen erneuert.
Im Gegensatz zu den Schlafräumen war der Speisesaal eher feudal ausgestattet.
Nach dem tödlichen Flugunfall schickten die Kameraden der 1. Kompanie der FEA 9 den abgebrochenen Propeller der Unglücksmaschine an die Familie wo er über Jahrzehnte auf dem Wohnzimmerschrank an “Jürgen” Brandes erinnerte.
Die Auszeichnungen des Leutnants Georg Brandes. Von links nach rechts: Eisernes Kreuz II. Klasse, Kriegsverdienstkreuz des Herzogtums Braunschweig, Eisernes Kreuz I. Klasse und das Verwundetenabzeichen in Schwarz
Schon als junger Kadett war er von der damals neuen Technik der Fliegerei begeistert, in seinem Nachlass finden wir dieses Foto das einen Zeppelin über Schloß Bensberg zeigt
Propeller der Marke “Wotan”
Aufnahme während eines Heimaturlaubs 1916
Wilhelm Clement mit Familie
Dieser Brief an seinen jüngeren Bruder Benno der ebenfalls in einer Kadettenanstalt ausgebildet wurde, gibt uns einen seltenen Einblick in die Ausbildung der damaligen Flieger. Auch die Haltung des Leutnants zur allgemeinen Kriegslage ist hochinteressant.
Links: Brief des “Burschen” an die Familie seines Leutnants. Sehr schön erkennbar das er sich um viele Kleinigkeiten des alltäglichen Lebens kümmern mußte und das die Familie dieses auch entsprechend honorierte.
Sammlung Peter Merschroth